Bericht über die Reise nach Indien im Juni 2015
Mitte Juni eines jeden Jahres wird in Indien das neue Schuljahr eröffnet und so reiste ich vom 12. Juni bis 19. Juni 2015 und zum Beginn des Monsuns nach Indien.
Als ich am 13.06., kurz nach 07.00 Uhr in Nagpur ankam, wurde ich schon von Narayan, meinem indischen Freund und Helfer, erwartet. Dieser hatte von einem lokalen indischen Anbieter ein Auto mit Fahrer gemietet und so konnten wir nacheinander den Hersteller der Schulranzen, einen Schreibwarenhändler sowie den Hersteller von sogenannten Schulschuhen besuchen und die notwendigen Dinge einkaufen. Aus den Erfahrungen beim letzten Bargeldumtausch klug geworden, hatte ich bereits auf dem Flughafen in Delhi die notwendigen Euro gegen Rupien eingetauscht.
Wir mussten einerseits für die erste Schule sämtliches Verbrauchsmaterial wie Schreibhefte, Kugelschreiber, Bleistifte, Spitzer und Radiergummis ersetzen und für die zweite Schule (einige Orte weiter) neben diesen Materialien auch noch 110 Schulranzen erwerben. Da der Kurs der Rupie gegenüber dem Euro auf 68 zu 1 gestiegen war, kosteten die Schulranzen in der besten verfügbaren Qualität nunmehr knapp 7 € das Stück. Zur Ansicht habe ich einen solchen mit nach Deutschland genommen.
Nachdem wir den Transport dieser Dinge, wie zuletzt, mit einem Bekannten von Narayan geregelt hatten, fuhren wir am späten Nachmittag zum Hotel im Pench Nationalpark, mit welchen ich auch eine deutliche Reduzierung des Preises ausgehandelt hatte.
Nach einer zweistündigen Anfahrt besuchten wir am Sonntag die Familie von Veena, eines von drei Patenkindern. Veena beginnt nun die 11. Klasse und gehört zu den Klassenbesten. Erneut berichtete sie, dass sie unbedingt Ärztin werden will, obwohl sie weiß, dass dies noch zehn Jahre dauern wird. Wir werden sie auf diesem Weg begleiten!
Am darauffolgenden Montag besuchten wir die beiden anderen Familien unserer Patenkinder Reena und Nikita, welche im gleichen Dorf unserer ersten Schule wohnen. Während Nikita, welche mit ihrer Mutter und Schwester (der Vater hat die Familie verlassen), uns durch ihr Auftreten und ihre schulischen Leistungen Freude macht, müssen wir uns um Reena doch einige Sorgen machen. Die die Schule leitende Lehrerin berichtete uns, dass sie manchmal nicht zum Unterricht erscheint und auch der Vater Probleme mit Alkohol hat. Wir haben deshalb dieser Familie nur das halbe Geld übergeben und Narayan wird zum Jahresende überprüfen, ob die Familie die ihnen eingeräumte Chance nutzt oder wir uns einer anderen Familie zuwenden müssen.
Unsere Hilfe versteht sich immer als Hilfe zur Selbsthilfe, als Chance etwas für die Bildung der Kinder im weitesten Sinne zu tun. Viele Millionen Menschen in dieser offensichtlich unheilbaren, zerstörerischen Welt bekommen niemals eine Chance und warten doch ihr ganzes Leben darauf. Und wer eine solche Chance nicht begreift, nicht nutzt, dem muss diese, im Angesicht dieses großen Elends auch genommen werden, um einem anderen eine solche zu eröffnen.
Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, einerseits zu helfen und andererseits zu wissen, dass die meisten dieser Kinder kaum eine Chance auf ein besseres Leben haben werden, aber wir müssen mit großer Demut begreifen, welchen ungeheuren Reichtum wir haben und es eigentlich unsere moralische Pflicht ist, egal ob aus linken oder christlichen Motiven, zu helfen; auch in dem Bewusstsein das jeder von uns ein Staubkorn ist und nicht die Welt retten kann, aber vielleicht sich selbst, indem er es wenigstens versucht.
Zur Eröffnung des neuen Schuljahres am 16.06.2015 besuchten wir, zusammen mit weiteren drei indischen Guides, welche ansonsten als Touristenführer im Nationalpark arbeiten, unsere erste Schule. Die Freude der Kinder bei unserem ersten Wiedersehen war groß.
In einem der Klassenräume waren die 45 Schulbänke und -tische eingeschlossen, welche wir in der Fabrik in Nagpur gekauft hatten. Diese Fabrik fertigt diese erstklassigen Schulmöbel ansonsten nur für die indischen Privatschulen. Mit unbändiger Freude und Stolz trugen dann die Schüler die Möbel zu ihren einzelnen Klassenräumen. Des Weiteren haben wir für jeden der fünf Klassenräume noch eine Wandtafel gekauft, so dass nunmehr ein Unterricht unter grundlegend veränderten und besseren Bedingungen möglich ist.
Vor dem Schulfest (ein bescheidenes lokales Essen und ein Getränk und Süßigkeiten hatten wir auf einem Markt bestellt) konnte ich persönlich die jeweiligen drei Klassenbesten der
5. bis 8. Klasse mit einem Stipendium (1.000 INR = 14,71 €) auszeichnen. In Fortsetzung einer alten DDR – Tradition wurde dies auch bei denen mit 500 INR belohnt, welche sich laut der Lehrerschaft im vergangenen Schuljahr besonders bei der Verbesserung ihrer Leistungen verdient gemacht haben.
Bei einer anschließenden Tombola (jedes Los gewinnt) konnte jedes Mädchen ein Schmuckstück für ihre, so wunderbaren indischen, Haare gewinnen. Die Jungs erhielten dafür alle einen Stoffbeutel von HORSCH (käuflich dort erworben!) sowie Kugelschreiber der Firmen HORSCH und LOICK AG.
Nach dem Essen erhielten die Kinder zum ersten Mal in ihrem Leben Schuhe, welche ebenfalls zu den Gebrauchsgütern gehören. Diese kauft man in Indien in statistischen Zufallsgrößen (in unserem Fall für 130 Kinder) und ein Paar kostet nur etwas über 2 €.
Die erste Schule ist damit nunmehr komplett ausgerüstet. Neben der jährlichen Bereitstellung der Verbrauchsmaterialien muss nun noch die seit drei Jahren nicht funktionsfähige Toilettenanlage für die Mädchen instandgesetzt (oder neu gebaut) werden sowie das Problem mit der Bereitstellung von gefilterten Wasser geklärt werden.
Am darauffolgenden Tag besuchten wir zum ersten Mal unsere zweite Schule. Hier überreichten wir allen Schülern die neuen, mit den Schulmaterialien gefüllten Schulranzen und veranstalteten ein Schulfest. Zur Schuljahreseröffnung im kommenden Juni wird auch diese Schule über Schulbänke und Tafeln verfügen sowie ein Leistungsstipendium an die betreffenden Schüler ausgezahlt.
Über eine wichtige Sache ist noch zu berichten:
Einer der Nationalpark – Ranger hatte einen Freund von Narayan auf das Schicksal eines achtjährigen Mädchens, welches als Waisenkind bei den Großeltern lebt, aufmerksam gemacht und uns gebeten zu prüfen, ob wir uns um dieses Kind kümmern könnten.
Es handelt sich um eine Vollwaise namens Sukwaru, deren Vater schon vor der Geburt an Tuberkulose gestorben war und die Mutter eine halbe Stunde nach ihrer Geburt verblutete. Wir haben uns sehr vorsichtig über mehrere Besuche diesem Mädchen und seinen Großeltern angenähert. Zwei Tage später sind wir mit Sukwaru und ihrer Großmutter auf einen lokalen Markt gefahren und haben das Mädchen mit dem Nötigsten ausgestattet sowie der Großmutter einen kleinen Geldbetrag hinterlassen (welcher durch Narayan regelmäßig ergänzt wird), damit man die notwendigsten Lebensmittel kaufen kann.
Diese Familie ist so sehr arm, dass der Großvater noch im hohen Alter bei einem Bauern helfen muss, um nicht zu verhungern. Wir werden das Schicksal dieses Mädchen nunmehr ein Stückchen begleiten und vielleicht ist ihre Dorfschule die nächste und dritte Schule, der wir uns annehmen.
Solange es meine Gesundheit erlaubt, werden wir jedes Jahr eine weitere Grundschule in Angriff nehmen und dazu werde ich in jedem Juni nach Indien reisen.
Das bei der Sparkasse Mittelthüringen eingerichtete, kostenlose Solidaritätskonto verfügt zum 20.07.2015 über einen Betrag von über 7.600 €, eine Summe, welche wir nie erwartet hatten, zumal wir als privat handelnde Personen nicht berechtigt sind, entsprechende Belege auszustellen.
Eine solche Wertschätzung zu erfahren und ein solches Vertrauen zu genießen, berührt mich sehr tief und macht mich doch ein klein wenig stolz. Ich möchte mich bei allen Spenden sehr herzlich für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken. Ich werde dies stets rechtfertigen.
Besonders danke ich Herrn Walter Horsch, welcher am 28.06.2015 seinen 85. Geburtstag feierte und welcher einen Betrag von 1.000 € überwiesen hat.
Wolfgang Nürnberger