Reisebericht Indien vom Juni 2017
Die diesjährige Reise fand vom 16. Juni bis zum 23. Juni 2017 statt.
Da wir uns aus den bereits dargelegten Gründen nicht mehr um den Einkauf von Schulranzen und Schulschuhen kümmern mussten, stand zuerst der Umtausch des mitgeführten Bargeldes an, da die angebotenen Umtauschraten auf den Flughäfen in Mumbai und Nagpur, verbunden mit einer Kommission in Höhe von 6 % nicht akzeptabel waren.
Man muss wissen, dass in 2016 in Indien eine sehr radikale Aktion gegen die zunehmende Steuerflucht und das verbreitete Schwarzgeld unternommen wurden. Alle Besitzer von Bargeld wurden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgefordert, sämtlich vorhandenes Bargeld bei einer Bank einzuzahlen und bei großen Summen deren Herkunft nachzuweisen. Von den eingezahlten Beträgen wurde eine pauschale Steuer in Höhe von 30 % abgezogen und gleichzeitig neue Geldscheine ausgereicht. Die alten Scheine wurden mit Ende der Aktion ungültig. Mein Guide Narayana sagte mir, dass es nach der Aktion Säcke voller alter Scheine an den Straßenrändern gegeben habe. Diese Aktion war bei aller Härte bisher beispiellos und sicher aus Sicht der indischen Gesellschaft richtig.
Schon bei der Überweisung des Geldes für die Bezahlung der Schulmöbel für die Schule Nr. 3 auf das private Konto unseres Helfers mussten wir nunmehr auch Angaben zur vorgesehenen Verwendung gegenüber der Bank machen. Ein Bargeldumtausch ist nach gegenwärtigen Stand nur noch bis zur Höhe von 2.500 € pro Person möglich und mit viel Zeitaufwand verbunden, so dass wir künftig mehr Geld überweisen werden und uns dieses dann durch Abhebung wieder zur Verfügung stehen wird.
Schwerpunkt dieses Berichtes soll diesmal der Stand der eingegangenen Patenschaften gegenüber den vier Mädchen sein.
Veena (bald 18) hat die 12. Klasse erfolgreich mit 73 % erfolgreich abgeschlossen. Am Sonntag, den 18.06. wurden alle Abiturienten zu einer abschließenden Großklausur zusammengerufen; Veena hatte einen Anreiseweg von 150 km. Dieses Ergebnis steht noch aus. Danach entscheiden in mehreren Schritten einzelne Kommissionen über die für den Einzelnen möglichen Studienmöglichkeiten. Veena möchte gerne Medizin studieren und einmal Ärztin werden. Mal sehen wie es wird, denn die Auswahlkriterien sind bei einer so großen Bevölkerungszahl sehr streng.
Das Ergebnis wird in wenigen Wochen feststehen, aber unabhängig welchen Weg Veena einschlagen wird, haben wir entschieden, dass sie einen Laptop (eine Grundvoraussetzung für eine erfolgreiches Studium) aus dem vorhandenem Geldbestand erhalten wird (ca. 400 €).
Nikita (wurde am 19.06. 16 Jahre alt) hat die 10. Klasse mit richtig guten Ergebnissen beendet. Bedingt durch die Auswahl der Schule lebt sie nun zumeist bei einer Verwandten in unmittelbarer Nähe der als besonders gut eingeschätzten Schule, welche zirka eine halbe Autostunde von Zuhause entfernt ist. Wir haben ihr das Ziel der Erreichung von mindestens 80 % zum Ende der 11. Klasse gesetzt und ihr dafür ebenfalls einen Laptop in Aussicht gestellt. Diesen wollen wir als einen gut gebrauchten hier in Deutschland erwerben. Außerdem ist sie auf einem guten Wege, einmal eine wirklich schöne junge Frau zu werden.
Sukwaru (10) hatte im Januar mit ihrer Großmutter nun auch ihre letzte unmittelbar Verwandte verloren und lebt nun im Familienverband eines der beiden älteren Brüder des schon vor ihrer Geburt verstorbenen Vaters. Diese Familie lebt noch in sehr veralteten Traditionen und misst der Bildung nicht die Bedeutung bei, als einzige Möglichkeit für ein besseres späteres Leben. Außerdem ist nicht klar, was von dem Geld und den mitgeführten Geschenken wirklich bei dem Waisenkind ankommt. In ihrem Fall werden die jedem Kind zugesagten jährlichen finanziellen Mittel in Höhe von 17.500 INR (entspricht 250 €), so aufgeteilt, dass alle zwei Monate nur ein Betrag von 2.000 INR übergeben wird.
Sukwaru besucht nun die 5.Klasse. Da es bis zur vierten Klasse in Indien keine Noten gibt, liegt nur eine verbale Einschätzung des Lehrers hinsichtlich ihrer Lernfähigkeiten vor.
Im Beisein der Familie fand ein längeres Gespräch zur Zukunft von Sukwaru mit ihrem Onkel statt. An diesem nahm auch der Guide teil, welcher uns auf deren Schicksal aufmerksam gemacht hat und im gleichen Dorf wohnt. Mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wollen wir versuchen, dass wir, mit dem bevorstehenden Schulwechsel im April/Mai kommenden Jahres, Sukwaru aus diesem Verbund loseisen können, damit wir diese dann in Nagpur in eine gute Privatschule mit Internat unterbringen können. Das ist ihre einzige Chance in ihrem noch so jungen und unglücklichen Leben.
Der Onkel hat sich Bedenkzeit auserbeten und wolle erst mit seinem älteren Bruder in Nagpur sprechen, welcher dort bei der Eisenbahnverwaltung beschäftigt ist. Dank der Einsatzbereitschaft der beiden Guides konnten wir kurz vor meiner Ausreise noch mit ihm ein kurzes Gespräch führen. Er wollte schon damals nach der Geburt und dem damit verbundenen Tod der Mutter Sukwaru in seine Familie aufnehmen, was jedoch von Verwandten der Mutter vereitelt wurde.
In Indien wird weiter massiv an diesem Thema gearbeitet und für uns ist das Problem schwer zu verstehen, denn hier gibt es für den Einzelnen viele Chancen und in Indien warten Millionen vergeblich darauf. Nun bietet sich der Vollwaisen Sukwaru diese einzigartige Möglichkeit und Verwandte versuchen das vielleicht sogar zu verhindern. Wir werden sehen.
Britty (7) besucht gegenwärtig die dritte Klasse. Sie ist ein extrem aufgewecktes Mädchen und ist ab sofort unser neues Patenkind, nachdem Reena wegen mangelnder Leistungen (siehe Bericht 2016) ausgeschieden war. Allein ihr Englisch kann sich für ihr Alter absolut sehen lassen und der deutlich vorhandene Ehrgeiz wird sie hoffentlich aus einfachen Verhältnissen kommend in eine gute Zukunft führen.
Der Einkauf der Schulmaterialien ist inzwischen zu einem gewichtigen Ereignis geworden, denn über allein 1200 Schulhefte mussten für die Schüler der Schulen 1 bis 3 gekauft und anschließend 100 km transportiert werden.
Verbunden mit einem obligatorischen Schulfest wurden diese Materialien am 20.06. in den Schulen 1 und 2 persönlich jedem Schüler ausgegeben. Gleichzeitig wurden die jeweils zwei besten Schüler der Klassen 5 bis 8 sowie je einer mit der größten Leistungsverbesserung mit einem Leistungsstipendium ausgezeichnet.
Am 21.06. wurden der Schule die Schulmöbel überreicht. Das war eine große Stunde für die Kinder, welche als Arme, im Gegensatz zu den Privat-Schülern, nunmehr nicht mehr auf dem blanken Boden sitzen müssen.
Sämtliche Lehrer beklagten sich über die mangelnde finanzielle Unterstützung der zuständigen Behörden. So erhält jede Schule vom Bundesstaat nur einen jährlichen Betrag von 5.000 INR (ca. 50 €) für notwendigen Reparaturen.
Anschließend haben wir noch von außen die möglichen Kandidaten für die Schule Nr. 4 besichtigt. Mit den zuständigen Lehrern werden deshalb in den nächsten Monaten durch Narayana Gespräche geführt.
Wolfgang Nürnberger