Reisebericht Indien im Juni 2016
Die diesjährige Reise fand vom 17. Juni bis zum 24. Juni 2016 statt und führte von Leipzig nach Frankfurt und Mumbai und dort am frühen Samstagmorgen weiter nach Nagpur. Dort wartete bereits unser Freund und Helfer Narayana, welcher für meinen Aufenthalt wiederum das gleiche Auto mit Fahrer lokal angemietet hatte.
Am Samstag wurden sämtliche Einkäufe bei den schon vom letzten Jahr bekannten Händlern getätigt. Beim Hersteller der Schulranzen wurden direkt 100 Stück gekauft. Wir organsierten den Transport zum Hotel am Pench Nationalpark, welches wir dann auch am Abend erreichten.
Sonntag stand der Besuch bei unserem Patenkind Veena an. Dafür mussten wir zwei Stunden auf teilweise schlechten Straßen fahren. Veena beginnt nun die 12. Klasse und hat noch immer den Wunsch, anschließend Medizin zu studieren. Das vorgelegte Zeugnis der
11. Klasse wies jedoch nur ein erreichtes Ergebnis von 62,5 % auf. In Indien besteht ein, aufgrund der Menschenmassen auch verständliches, sehr hartes Zulassungsverfahren für die Universitäten. Um überhaupt eine Chance für das Medizinstudium zu haben, müssen im Minimum 85 %, eher mehr erreicht werden. Wir werden sehen, ob Veena dies noch erreichen kann, in jeden Fall werden wir sie weiter auf ihrem weiteren Bildungsweg unterstützen.
Am Montag besuchten wir die Familien der Patenkinder Reena und Nikita, welche im gleichen Dorf nur 50 m voneinander entfernt wohnen.
An dieser Stelle einige Informationen zum indischen Bildungswesen an sich, welche wir einige Tage später von den beiden leitenden Lehrerinnen der Schulen 1 und 2 erhielten.
Wie überall wird auch in Indien an der Bildung gespart, obwohl es keinen Mangel an Lehrern gibt, wird nur eine begrenzte Zahl eingestellt. Deren Lohn liegt bei etwa 300 € im Monat. Zusätzlich können bei Bedarf weitere Lehrer tageweise beschäftigt werden, welche dafür jedoch nur 1,50 bis 2 € pro Tag erhalten. Mit einer solchen Regel wird ziemlicher Druck auf die angestellten Lehrer ausgeübt. Diese sind angehalten, möglichst alle Schüler bis zur 8. Klasse zu bringen. Wenn dann Kinder eine weiterführende Schule besuchen, kommt es oft zum Crash, indem rund die Hälfte die 9. Klasse nicht schafft.
Reena hat diese Klasse auch nicht geschafft und leider gab es schon vorher Probleme solcherart, dass die Schule nicht regelmäßig besucht wurde. Wir haben uns deshalb entschlossen, die Patenschaft mit ihr ab sofort zu beenden und auch kein Geld mehr ausgezahlt.
Mit unseren Patenschaften verfolgen wir das Ziel, jungen Menschen eine Chance auf Bildung zu geben, aber Millionen von ihnen werden nie eine Chance erhalten. Wir können uns nur auf diejenigen konzentrieren, welche diese Hilfe auch als Chance begreifen, was natürlich wie auch bei uns, mit den Eltern anfängt.
Wir werden durch eine Überprüfung Narayanas Anfang 2017 sehen, ob Nikita ihre Chance nutzen kann. Hier arbeitet die alleinstehende Mutter sehr hart für ihre drei Kinder und deshalb besucht Nikita auch eine Schule mit einem doch etwas besseren Ruf.
Am Nachmittag besuchten wir dann unser Waisenkind Sukwaru. Nachdem vor wenigen Monaten bereits ihr Großvater verstorben ist, macht uns auch der Zustand der Großmutter ernsthafte Sorgen. In den beiden Hütten nebenan wohnen ihre Verwandten, dort isst und schläft sie bereits. Sie beginnt jetzt die vierte Klasse und muss nächstes Jahr die Schule wechseln. Wir planen im Interesse ihrer weiteren Entwicklung für sie eine Schule mit Internat in einer Stadt zu finden, um sie auch aus dem Niveau dieser Verwandten herauszulösen. Als Vollwaise wollen wir versuchen, ihr die für sie bestmögliche Schulbildung angedeihen zu lassen. Deshalb muss sie auf eine private Schule gehen und wir werden die dazu notwendigen Mittel aufbringen.
Am Dienstag besuchten wir erstmals die Schulen Nr. 3 und Nr. 4, wobei die letztere nur die Klassen 1 – 4 betrifft und nur 22 Kinder dort unterrichtet werden. Alle Kinder erhielten ihre mit den notwendigen Unterrichtsmaterialien gefüllten Schulranzen. Anschließend ließen es sich die Kinder bei einem kleinen Fest schmecken; wir hatten einen lokalen Imbiss, Süßigkeiten und ein Fruchtsaftgetränk für jeden mitgebracht.
Am Mittwoch stand der Besuch bei der Schule Nr. 2 an. Die wenige Tage vorher gelieferten Schulbänke und Pults waren bereits auf die Klassenzimmer aufgeteilt, nur die Schultafeln mussten noch angebracht werden. Als zweite Schule bekamen alle Kinder ein paar Schuhe und auch die notwendigen Schulmaterialien wurde nach Klassen geordnet übergeben.
Am Donnerstag erfolgte dann noch ein Besuch der Schule Nr. 1, währenddessen auch dort die Schulmaterialien übergeben wurden.
Am Nachmittag ging es wieder zurück nach Nagpur, am Abend mit dem Flieger nach Mumbai und am frühen Morgen zurück nach Frankfurt.
Welche speziellen Erkenntnisse hat diese Reise gebracht?
Wir haben in den Schulen Nr. 1 und 2 festgestellt, dass nur zwei Schüler die in 2014 und 2015 übergebenen Schulranzen benutzen. Der Rest war wieder mit den alten, ehemaligen Einkaufsbeuteln unterwegs. Wir haben deshalb beschlossen, ab kommendem Jahr keine Schulranzen mehr in den nächsten Schulen zu verteilen. Auch die Schulschuhe, welche pro Paar nur 2 € kosten, werden kaum benutzt und deshalb werden wir auch hier bremsen.
Die vorherrschenden Traditionen und Gewohnheiten stellen in Verbindung mit den teilweise völlig ungebildeten Eltern eine schwere Herausforderung für jegliche Hilfe dar. Deshalb werden wir uns künftig nur auf den Ankauf von Schulmöbeln und Tafeln konzentrieren sowie den einzelnen Schülern das Schulmaterial für die jeweilige Klassenstufe kaufen. Auch werden wir in nächster Zeit das ungelöste Problem der Toilettenanlage bei der Schule Nr. 1 angehen.
Auch der Abschluss weiterer Patenschaften für lernwillige Kinder soll angestrebt werden. Die nächste Reise findet dann mit Juni 2017 statt, zu der ich durchaus Interessierte einlade.
Zum Schluss noch eine Story, welche wir durch eigenes Erleben sogar nachvollziehen können. Wir waren an der Schule Nr. 2 für 10.30 Uhr verabredet, die Kinder waren da, aber die Lehrer waren nicht vollzählig.
Ab 01. Juli 2016 wurde für alle Lehrer verpflichtend eine neue App eingeführt. Diese muss beim Betreten des Lehrers in der Schule aktiviert werden. Da dieses Handy über Satellit geordet wird, werden dadurch die Lehrer überwacht, ob sie auch wirklich pünktlich in ihren Schulen sind. Damit das Handy nicht ein anderer bedienen kann, muss automatisch ein Bild vom betreffenden Lehrer gemacht werden, welches auch automatisch an die Kontrollbehörde des Bundesstaates geschickt wird. Es zeigt das Bemühen des Staates nach und nach etwas zu verändern, wobei die in Indien gemachten Erfahrungen niemals mit unseren Maßstäben beurteilt werden können.
Wolfgang Nürnberger