Eine vertrackte Situation und über die deutsche Unfähigkeit zum Dialog
Viele Jahre haben die Bauern in Deutschland oft sehnsüchtig nach Frankreich geblickt, wenn diese mal wieder, mit teils radikalen Aktionen, dort auf die Straße gegangen sind.
Verglichen mit dem satten, nie die deutsche Einheit verwirklichten, Deutschen Bauernverband (DBV), über dessen verhängnisvollen Wirken für die deutschen Bauern hier lieber nicht geschrieben werden soll, gab dies ein Gefühl, dass man nur auf diese Art etwas im Interesse der Landwirte bewegen könne.
Im Rahmen der nun inzwischen bereits verabschiedeten DÜV wurde die Schwere der Versäumnisse durch die deutsche Agrarpolitik, als Teil der europäischen Politik, besonders deutlich und brachte den aufgestauten Frust der Landwirte auf die Straße. Jahrelang hatten die verschiedenen Lobbygruppen, welche aber nach wie vor wirken, das konsequente Umsetzen des sorgsameren Umgangs mit Düngern aller Art behindert und verhindert.
Und so entstand, ziemlich spontan, Land schafft Verbindungen (LsV).
Und hier beginnt für alle beteiligten Akteure das eigentliche Dilemma!
Zum einen gibt es in Deutschland keine geordnete, die ökonomischen und ökologischen Belange berücksichtigende, agrarpolitische Zukunftsvision und andererseits sind die unterschiedlichen Interessen der EU-Mitgliedsländer, nicht nur in der Landwirtschaft, eher hinderlich als zusammenführend. Darüber hinaus muss man endlich auch einmal deutlich konstatieren, dass die Landwirtschaft in den beiden Teilen Deutschlands grundverschiedene Voraussetzungen (und Probleme) hat, welche die Gestaltung einer einheitlichen Agrarpolitik stets behindern.
Sind es im Westen (Süden) vor allem die nicht zukunftsweisenden kleinbäuerlichen Strukturen, so sind es im Osten die breitgestreuten Eigentumsverhältnisse, welche grundlegende Richtungsentscheidungen erschweren. Gemeinsam ist ihnen der oft nicht besonders stark ausgeprägte Wille zur Anpassung und Veränderung!
Und nun sagen die Bauern: „Redet mit uns und nicht über uns“ und „Wir machen Euch satt“!
Leider ist jedoch die letztere Aussage nicht zielführend, wenn man diese an eine schon satte, eigene Bevölkerung richtet. Doch wenn die Bauern mit der Bevölkerung selbst ins Gespräch kommen wollen, dann braucht es dazu eine Grundlage.
Und hier wird ein weiteres Dilemma der Landwirte deutlich, denn eine einheitliche Diskussionsgrundlage gibt es nicht; dazu ist die Qualität der Akteure, allein schon anhand des Vergleichs der jeweiligen Stückkosten zu unterschiedlich.
Die Diskussionen um die Anzahl und Aussagekraft der Messstellen ist berechtigt, sind aber nur vorgeschoben und gehen an der gesellschaftlich zu diskutierenden Problematik vorbei.
Bei aller gegenseitigen Polemik ist es doch unbestritten, dass die Landwirtschaft zu viel düngt, dass wir uns mit der Frage der Effizienz des Düngereinsatzes massiv beschäftigen müssen und dabei geht es nicht nur um die jetzigen roten Gebiete! Das kann nur der Anfang einer Diskussion sein, wenn wir ehrlich und unvoreingenommen darüber reden wollen wie wir die Landwirtschaft in Deutschland weiterentwickeln wollen.
Mitteleuropa ist das, aus Sicht der weltweiten Getreideproduktion, fruchtbarste Gebiet der Erde und trotzdem produzieren wir zu teuer, sind einfach nicht wettbewerbsfähig und das hat viele Ursachen.
Was auch immer wir unternehmen; die Landwirtschaft muss sich im Rahmen einer weltweit produzierenden Marktwirtschaft bewähren. Sie muss letztlich wettbewerbsfähig sein!
Gerade als eine der führenden Exportnationen kann es sich Deutschland nicht leisten, für die einheimische Landwirtschaft Sonderregeln zu erlassen und gleichzeitig andere Länder zu kritisieren, wenn diese versuchen, sich vor den Märkten abzuschotten. Deshalb kann man so gesehen, auch nicht das MERCOSUR Abkommen der EU kritisieren, denn die wohlhabenden Südamerikaner wollen eben auch deutsche Luxusautos fahren und auch andere Industriegüter werden dann eben über Bartergeschäfte bezahlt.
Klar ist aber jedoch auch für mich, dass eine weiterhin unbegrenzte Entfaltung der freien Marktwirtschaft, welche sowieso nur eine freundlichere Umschreibung für den hässlichen Kapitalismus in seiner imperialen Form ist, gerade aus in eine Welt führt, in der das Leben für künftige Generationen in eine globale Katastrophe führt!
Deshalb ist die Veränderung unserer Wirtschaftsweise, wie immer mehr, immer schneller, immer höher (und immer unzufriedener!) absolut und unumkehrbar notwendig!
Dagegen steht das menschliche Individuum, egal ob weiß oder schwarz, arm oder reich, welches hinsichtlich seiner genetischen Grundeigenschaften, wie der unendlichen Gier und der daraus resultierenden Missgunst, nicht lernfähig ist.
Und weil das so ist, ist letztendlich auch, bei grundlegenden und existenzsichernden Richtungsänderungen, die Möglichkeit eines echten Dialoges stark eingeschränkt.
Das beste Beispiel dafür ist die Diskussion um die bisher praktizierte Mobilität des Einzelnen. Anstatt den Menschen zu erklären, dass wir im Interesse der Erhaltung unseres Planeten in seiner jetzigen Form, nicht mehr diese Form der Fortbewegung garantieren können, macht uns die Politik Glauben, dass man nur die Antriebsart wechseln müsse und alles wäre gelöst.
Doch zurück zur Landwirtschaft und den dort zu führenden Dialog!
In den christlichen Schriften steht u.a., jeder erhebe den Stein, wenn er ohne Schuld ist und nun soll man mich durchaus steinigen, wenn ich jetzt folgende Ziele verkünde und damit falsch liege:
Wir müssen die biologische Vielfalt unserer Böden verbessern, die natürliche Bodenstruktur fördern, das Wasserhaltevermögen der Böden und dessen Tragfähigkeit steigern, zielgerichtet den Humusanteil unserer Böden durch die Einlagerung von CO² erhöhen, massiv gegen die zunehmende Erosion unserer Böden durch Wasser und Wind vorgehen, den Einsatz sämtlicher Ressourcen wie Diesel, Maschinenkapital, Lohn je Produktionseinheit senken und wir müssen uns auf eine veränderte Produktionsweise, bedingt durch die sich abzeichnenden Klimaveränderungen, verständigen!
Gleichzeitig muss den Landwirten Verständnis für deren Belange durch die Gesellschaft entgegengebracht werden! Es bedarf klarer, langfristiger und verlässlicher Rahmen-bedingungen! Oft ideologisch bedingte Angriffe auf Landwirte mit Schlagworten wie Massentierhaltung, Bienensterben oder das Totalverbot von Glyphosat sind einfach nicht zielführend und verhindern jeglichen und fairen Dialog. Auch geht inzwischen jegliches, dialektisches Herangehen an ein Problem verloren. Wer hat denn den Landwirten jahrzehntelang vorgegaukelt, dass mit monetären Fruchtfolgen, welche eigentlich das Wort nicht verdienen, mit Chemie und möglichst vielen Maschinen die Zukunft gesichert werden kann? Wo sind die schlauen (und teuren) Berater, wo ist der notwendige wissenschaftliche Vorlauf für eine stärkere Ökologisierung der Landwirtschaft, wo ist ein klares, politisches Konzept für die Zukunft?
Also Akteure, lasst uns wirklich über Kompromisse reden und Handlungsstränge in die richtige Richtung entwickeln und beweist, dass wir noch zum Dialog fähig sind, denn alles andere führt generell ins vorprogrammierte Chaos und das trifft leider nicht nur auf die Landwirtschaft zu!
Wolfgang Nürnberger